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Tapferkeitsurkunde für kleine Patienten


Kreisklinik Ebersberg versorgt auch unfallchirurgische Kindernotfälle

Kreisklinik Ebersberg versorgt auch unfallchirurgische Kindernotfälle
Kilian hat es geschafft: Seine Fußverletzung ist gut geheilt, wie ihm Chefarzt Dr. Artur Klaiber (links) und Oberarzt Jörg Dannheuser erklären. Die Gehstützen nimmt er als Andenken mit. Foto: kk/sf

Ebersberg, Juni 2016 – Tagtäglich kommen in die Zentrale Notaufnahme der Kreisklinik Ebersberg Kinder, die sich beim Sport oder Spielen verletzt haben. Handelt es sich beispielsweise um Frakturen der Extremitäten wie Bein- oder Armbruch, brauchen sie meist nicht in eine Kinderklinik gebracht werden - in der Abteilung für Unfallchirurgie und Orthopädie erhalten sie volle medizinische Versorgung. Über Voraussetzungen und Besonderheiten sprechen Chefarzt Dr. Artur Klaiber und der Leitende Oberarzt Dr. Jörg Dannheuser.

Welche Kindernotfälle werden in der Kreisklinik Ebersberg behandelt?
Dr. Dannheuser: Alle Kinder ab drei Jahren, die mit Verletzungen an Armen und Beinen, nach Stürzen auf den Kopf sowie offenen oder infizierten Wunden in die Notaufnahme kommen, werden von uns medizinisch versorgt, sowohl konservativ als auch operativ. Bei Wirbelsäulen- und Beckenbrüchen oder Polytraumata - also mehrere Verletzungen am gesamten Körper - leisten wir nur eine Notfallversorgung, bevor wir das Kind in eine Spezialklinik bringen lassen.

Wieso werden keine jüngeren oder schwerverletzten Kinder behandelt?
Dr. Klaiber: Die Kreisklinik Ebersberg ist nicht auf Kinder unter 3 Jahren spezialisiert. Die Behandlung dieser Kleinsten erfordert spezielle Erfahrung. Zudem braucht man ein anderes spezielles chirurgisches Equipment als bei größeren Kindern und Erwachsenen.

Für die Behandlung oben genannter Verletzungen ist die Klinik jedoch qualifiziert?
Dr. Klaiber: Ja, für diese Fälle sind wir sowohl technisch als auch fachlich und personell sehr gut ausgestattet. Unsere Mitarbeiter verfügen über langjährige Erfahrung in der unfallchirurgischen Behandlung von Kindern und arbeiten streng nach den vorgegebenen Leitlinien. Auch in der Anästhesie haben wir erfahrenes, geschultes Personal für die kleinen Patienten.

Was unterscheidet die Therapie einer Knochenfraktur bei Kindern und Erwachsenen?
Dr. Klaiber: Der Körper eines Kindes unterscheidet sich von dem eines Erwachsenen. Das Skelett zum Beispiel ist weicher und hat noch Wachstumspotenzial. Da die Knochen bei Kindern besser und schneller wieder von alleine zusammenwachsen, wird seltener operiert. Oft reicht das Eingipsen oder eine Schiene. Das ist jedoch abhängig vom Alter. Häufig befinden sich Brüche bei Kindern an den sogenannten Wachstumsfugen. Das sind mit weichem Knorpel gefüllte Lücken zwischen dem Endstück eines Knochens und dem Mittelstück, aus denen heraus der Knochen weiter wächst. Diese Wachstumsfugen dürfen nicht verletzt werden. Müssen Frakturen fixiert werden, geschieht das nicht mit Platten oder Schrauben, sondern nur mit dünnen Drähten. Kontrolliert wird der Eingriff durch ein Röntgengerät mit einem speziellen "Kinderfilter", um die Strahlenbelastung so gering wie möglich zu halten.

Was sehen Sie als größte Herausforderung bei der Behandlung von Kindern?
Dr. Dannheuser: Kinder können sich nicht so gut artikulieren wie Erwachsene, besonders jüngere. Das bedeutet, man muss sich als Arzt viel Zeit nehmen, um herauszufinden, was dem kleinen Patienten fehlt, sofern es nicht offensichtlich ist. Und man muss behutsam vorgehen, um das Kind, das ohnehin geschockt ist, nicht noch mehr zu verängstigen. Jedes Kind bekommt deshalb ein kleines Plüschtier von uns, Jungen nehmen auch gerne eine leere Plastikspritze. Und zum Abschied gibt es eine Tapferkeitsurkunde.
Dr. Klaiber: Wir würden gerne Kindern schon im Vorfeld die Angst nehmen. Das Projekt "Teddyklinik" von Münchner Studenten, über das sie vor kurzem berichtet haben, finde ich sehr interessant. Das könnte in Zukunft so aussehen, dass wir in Kindergärten und Schulen gehen und dort die Kinder ihre Puppen oder Plüschtiere verarzten lassen oder dass sie mit ihren Plüschtieren in die Klinik kommen. So wäre ihnen das Procedere in der Klinik nicht mehr fremd, wenn sie sich tatsächlich einmal verletzen sollten.

Welche Unfälle passieren Ihrer Erfahrung nach am häufigsten?
Dr. Dannheuser: In Ebersberg sind es Stürze von der Schaukel oder vom Trampolin und beim Skateboarden.

Bei welchen Symptomen sollten Eltern unbedingt in die Notfallaufnahme kommen?
Dr. Klaiber: Bei allen größeren offenen Wunden, sichtbaren Fehlstellungen wie etwa ein verdrehtes Bein, bei starker Schwellung der verletzten Extremität, Unbeweglichkeit und starken Blutergüssen. Oft lässt sich eine starke Prellung oder Verstauchung nicht von einem Knochenbruch unterscheiden. Das zeigt sich dann erst in der Röntgenaufnahme. Auch bei Verdacht auf eine Gehirnerschütterung sollte das Kind sofort in die Klinik gebracht werden, weil in diesem Fall die Gefahr einer Hirnblutung besteht. Symptome sind Kopfschmerzen, Übelkeit bis hin zum Erbrechen, Erinnerungslücken sowie innerhalb der ersten beiden Stunden starke Müdigkeit. Wir nehmen das Kind stationär auf und beobachten es ein bis zwei Tage, um bei Veränderungen des Befundes eingreifen zu können. Gegebenenfalls wird eine Computertomografie oder eine Kernspintomografie des Kopfes gemacht, um eine Hirnblutung auszuschließen. Übrigens werden Kinder - so weit möglich - in der Notaufnahme bevorzugt. Und es besteht für Eltern die Möglichkeit, bei einer stationären Behandlung ihres Nachwuchses über Nacht in einem Zusatzbett bei ihm zu bleiben.

Übernimmt die Klinik Ebersberg auch die Nachbehandlung?
Dr. Klaiber: Wenn der Unfall in der Schule oder im Kindergarten passiert ist: ja. Jeden Mittwoch und Freitag haben wir dafür eine Kindersprechstunde. Für alle anderen Fälle findet die Nachsorge gemeinsam mit dem Kinderarzt oder Hausarzt statt.

Das Gespräch führte Sybille Föll


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