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Herz unter Stress?


Kardiologie der Kreisklinik Ebersberg empfiehlt Sport

Herz unter Stress?
Privatdozent Dr. Martin Schmidt geht mit gutem Beispiel voran. Er ist fünfmal in der Woche in verschiedenen Ausdauersportarten für je etwa 30 Minuten unterwegs. Foto: kk/sf

Ebersberg, November 2016 – Studien belegen: Chronischer Stress kann zu Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems bis hin zum Herzinfarkt führen. Warum das so ist und was man dagegen tun kann, war Thema der Herzwoche mit Vorträgen am 07.11.16 in der Kreisklinik Ebersberg. Wir sprachen im Vorfeld mit dem Kardiologen und Chefarzt der Inneren Medizin Privatdozent Dr. Martin Schmidt.

Dr. Schmidt, was verursacht dem Herzen Stress?
An erster Stelle wären sogenannte Zivilisationskrankheiten wie etwa Diabetes Typ 2, Bluthochdruck, Adipositas und Arteriosklerose zu nennen. Sie sind meist die Folge falscher Ernährung und Bewegungsmangel und führen langfristig gesehen zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dasselbe gilt für Rauchen sowie chronischen Stress, beispielsweise am Arbeitsplatz. In den 1950er und 1960er Jahren bezeichneten die Medien Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems bei Führungskräften als "Managerkrankheit". Man fand jedoch heraus, dass es nicht das hohe Arbeitspensum war, was krank machte, sondern das Gefühl der Überforderung und die Angst, Dinge nicht zu schaffen - letztendlich also psychischer Stress. Oft geht chronischer Stress mit falscher Ernährung und Bewegungsmangel einher, was zu den bereits genannten Zivilisationskrankheiten führen kann.

Wie wirken sich diese Erkrankungen und Dauerstress auf das Herz aus?
Im Körper werden Prozesse in Gang gesetzt, die über Jahre hinweg zum Herzinfarkt führen können: Bei Diabetes und Adipositas kommt es zu Stoffwechselstörungen. Blutzuckerverbrennung und Fettstoffwechsel funktionieren nicht mehr, wie sie sollten. Durch die permanente Ausschüttung von Stresshormonen kann es zu Störungen des vegetativen Nervensystems und somit des Stoffwechsels kommen. Die Folgen sind Cholesterin-haltige Ablagerungen - sogenannte Plaques - an den Blutgefäßwänden. Es kommt zu einer zunehmenden Verengung der Blutgefäße, auch Arteriosklerose genannt. Dadurch bekommt das Herz nicht mehr genügend Sauerstoff und Nährstoffe. Die Folge ist eine Abnahme der Pumpleistung des Herzmuskels. Einer der Plaques kann zudem einreißen und durch Blockierung eines Herzkranzgefäßes einen akuten Herzinfarkt verursachen. Erhöhter Blutdruck kann ebenfalls eine Folge von Stress sein. Letzterer ist deswegen so gefährlich, weil das Herz durch den Druck mehr leisten muss. Die Belastung führt zu einer Verdickung der linken Herzkammer-Wand, die Durchblutung des Herzmuskels wird gestört.

Können auch vorübergehende Stresssituationen zu Schäden am Herz führen?
Selten, selbst wenn das Herz in manchen Situationen weh tut. Bei einer Stresskardiomyopathie, auch Broken-Heart-Syndrom genannt, kann der oder die Betroffene - zu 90 Prozent Frauen - typische Anzeichen eines Herzinfarkts zeigen. Durch die plötzlich hohe Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin werden Herzmuskelzellen geschädigt, was sich auf die Funktion des Herzens auswirken kann. Das EKG ähnelt dann oft dem eines Herzinfarkt-Patienten, der Blutdruck ist erhöht, und auch das Troponin, ein Eiweiß-Komplex, der bei Schädigungen der Herzmuskelzellen freigesetzt wird, kann erhöht sein. Ob es sich tatsächlich um einen Herzinfarkt handelt, lässt sich erst bei der Katheter-Untersuchung feststellen. Dort zeigt sich bei einer Stresskardiomyopathie, dass die Gefäße unauffällig sind. Trotzdem muss der Patient blutdrucksenkende Medikamente einnehmen und zur Überwachung einige Tage in der Klinik bleiben.

Wie kann man Herzerkrankungen entgegenwirken?
Zum einen durch Sport. Studien zeigen, dass mäßiger Ausdauersport wie etwa Joggen, Radfahren, Schwimmen oder Nordic Walken das Risiko für einen Herzinfarkt deutlich senkt. Ich empfehle fünfmal täglich eine halbe Stunde. Die Blutgefäße werden dadurch elastischer, es lagert sich weniger Plaque ab, Blutzuckerverbrennung und Fettstoffwechsel werden angeregt. Anfänger sollten sich jedoch vorab vom Hausarzt beziehungsweise Kardiologen untersuchen und beraten lassen, welche Sportart und welches Pensum für sie geeignet sind. Leute mit Problemen in den Kniegelenken zum Beispiel sollten nicht joggen, sondern besser schwimmen oder Rad fahren.
Auch Bluthochdruck und Vorhofflimmern lassen sich durch Sport ausgleichen. In Kombination mit Kräftigungsübungen für die Körpermuskulatur lassen sich so ein stabiles Gesamt-Körpersystem erreichen und das allgemeine Wohlbefinden steigern. Sport wirkt außerdem Depressionen entgegen, weil sogenannte Glückshormone - Serotonin, Dopamin, Endorphine und andere - ausgeschüttet werden. Hilfreich bei psychischem Stress können auch Gesprächstherapien sein oder seine Gedanken in eine andere, positive Richtung zu lenken. Diesbezüglich arbeiten wir eng mit der Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapie zusammen.

Dürfen auch Menschen mit Herzerkrankungen Sport treiben?
Nach einem Herzinfarkt empfehlen wir das sogar. In der Reha-Klinik erhalten die Patienten professionelle Anleitung, und die Belastungsgrenzen werden gemessen, um eine Überforderung zu vermeiden. Patienten mit Herzrhythmusstörungen, bei denen eine Ablation vorgenommen wurde, können wieder Sport treiben, sobald die Zugänge für die Katheter verheilt sind. Das ist in der Regel nach zirka einer Woche der Fall. Nur bei einer Herzmuskelentzündung ist Sport untersagt, bis die Infektion vollständig abgeheilt ist! Das dauert meist drei bis sechs Monate.

Das Gespräch führte Sybille Föll


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