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Chronischer Schulterschmerz: Wann ist eine OP nötig?


Experten der Kreisklinik Ebersberg nennen Engpass-Syndrom als häufigste Erkrankung

Chronischer Schulterschmerz: Wann ist eine OP nötig?
Eine Verengung unter dem Schulterdach führt oft zu Schulterproblemen, wie Dr. Artur Klaiber (li.) und Benedikt Mildner veranschaulichen. Foto: kk/sf

Ebersberg, Dezember 2018 – Chronische Schulterschmerzen sind weit verbreitet. Verantwortlich dafür sind meist Verletzungen der Weichteile wie etwa Bänder, Sehnen, Muskeln und Schleimbeutel. Oft reicht eine konservative Behandlung aus, um die Beschwerden zu lindern. In welchen Fällen jedoch operiert werden sollte, erläutern Dr. Artur Klaiber, Chefarzt der Abteilung Orthopädie und Unfallchirurgie der Kreisklinik Ebersberg, und Oberarzt Benedikt Mildner.

Wodurch können chronische Schulterschmerzen ausgelöst werden?
Klaiber: Die Schulter ist ein sehr bewegliches, aber auch anfälliges Gelenk, bedingt dadurch, dass der große Kugelkopf in einer viermal so kleinen Gelenkpfanne liegt. Stabilisiert, bewegt und in der richtigen Position gehalten wird die Schulter in erster Linie durch einen komplexen Muskel- und Kapselapparat. Durch Fehlhaltungen oder Überbeanspruchung kann dieses System leicht ins Ungleichgewicht geraten. Neben Verkalkungen der Sehnen und Gelenke, oft als Folge chronischer Entzündungen, können eine Arthrose in Schulter- und Schultereckgelenk, Schleimbeutelentzündungen sowie das sogenannte Impingement-Syndrom (Engpass-Syndrom) zu Schmerzen führen.

Was ist das Engpass-Syndrom?
Klaiber: Die Hauptaufgabe der Stabilisierung und Beweglichkeit der Schulter übernimmt die sogenannte Rotatorenmanschette. Sie besteht aus vier Drehmuskeln, genannt Rotatoren, die den Kugelkopf umspannen. Darüber liegt das Schulterdach. Ist der Raum dazwischen zu eng, entweder durch anatomische Varianten oder beispielsweise durch Über-Kopf-Arbeiten, werden Muskeln, Sehnen und Schleimbeutel eingequetscht, es kommt zu Reizungen und Entzündungen. Dauert dieser Zustand länger an, werden die Muskeln und Sehnen nicht mehr ausreichend durchblutet und können reißen. Das nennt man Rotatorenmanschettenruptur. Das Engpass-Syndrom ist die häufigste Ursache für Schulterschmerzen.

Sie können aber auch von Erkrankungen ausgelöst werden, die gar nichts mit der Schulter zu tun haben, oder?
Klaiber: Ja. Bei einem Herzinfarkt zum Beispiel kann der Schmerz in die Schulter ausstrahlen, ebenso bei Beschwerden in der Halswirbelsäule. Die Symptome sind ähnlich. Diese Erkrankungen muss der Arzt bei der Diagnosestellung ausschließen.

Was ist außerdem wichtig für die Diagnose?
Mildner: Zunächst muss das Beschwerdebild abgefragt werden: Wann treten die Schmerzen auf? Bei welchen Bewegungen? Wie äußern sie sich? Das gibt erste Hinweise auf die Erkrankung. Danach folgt die körperliche Untersuchung, unter anderem mit verschiedenen Bewegungstests, sowie bildgebenden Untersuchungsverfahren. Beim Engpass-Syndrom sind das eine Röntgenuntersuchung und zusätzlich eine Kernspintomografie, um einen Sehnenriss auszuschließen. Geröntgt wird auch bei Verdacht auf Arthrose. Entzündungen und Sehnenveränderungen lassen sich aber auch gut im Ultraschall erkennen.

Wie wird ein Engpass-Syndrom therapiert?
Mildner: In einer frühen Phase, wenn noch keine Muskeln oder Sehnen gerissen sind, physiotherapeutisch. Dadurch kann die Zentrierung der Schulter verbessert werden. Wir haben ein vierwöchiges, physiotherapeutisches Behandlungsschema festgelegt, das jeder betroffene Patient erhält. Bei akuten Schmerzen hilft Kühlung oder die kurzzeitige Einnahme entzündungshemmender Schmerzmittel.

Wann reicht eine konservative Behandlung nicht aus?
Klaiber: Wenn sich die Beschwerden nicht bessern oder bereits eine Sehne gerissen ist. Begleitend tritt häufig noch eine Arthrose im Schultergelenk auf, die den Raum unter dem Schulterdach zusätzlich verengt. Dadurch besteht die Gefahr, dass noch mehr Sehnen reißen und ein künstliches Schultergelenk notwendig wird. Daher sollte rechtzeitig eine OP durchgeführt werden.

Welche Verfahren sind dabei üblich?
Mildner: In der Regel die Arthroskopie, bei der über winzige Schnitte die Operationsinstrumente und die Kamera eingeführt werden. Meistens muss der Schleimbeutel entfernt und das Schulterdach abgeschliffen werden. Abgerissene Sehnen fixieren wir mit selbstauflösenden Ankern am Knochen und verschließen somit die Rotatorenmanschette wieder komplett. Bei einer hochgradigen Arthrose im Schultereckgelenk mit Knochenneubildungen werden diese herausgeschliffen.

Kann auf diese Art jedes Engpass-Syndrom behoben werden?
Klaiber: Leider nicht. Manchmal ist die Erkrankung schon so weit fortgeschritten, dass die Sehnenrisse nicht mehr reparabel sind. In einzelnen Fällen besteht noch die Möglichkeit, die Rotatorenmanschette komplett durch eine Platte aus organischem Material zu ersetzen. Diese neue Technik, genannt Superiore Kapselrekonstruktion (SCR), haben wir vor wenigen Jahren in der Kreisklinik Ebersberg etabliert, mit gutem Erfolg. Dadurch kann oft ein künstliches Schultergelenk vermieden werden.

Was sollten Patienten nach der OP beachten?
Klaiber: Der Körper muss neu lernen, das Gleichgewicht im Körper wiederherzustellen. Deshalb ist eine gute Nachbehandlung sehr wichtig. Sie beginnt für unsere Patienten noch in der Klinik mit Physiotherapie und Schulterstuhl und muss unbedingt zu Hause fortgeführt werden. Wichtig ist, dass die passive Beweglichkeit der Schulter in den ersten Tagen und Wochen nach der Operation erhalten bleibt.

Das Gespräch führte Sybille Föll


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