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Der akute, arterielle Gefäßverschluss
Bei Fallbesprechungen von Gefäßerkrankungen kommen die Kompetenzen des Gefäßchirurgen Dr. Peter Kreissl (stehend) und des Radiologen Dr. Marco Heinz zusammen. Foto: Alexander Zettl
Ebersberg, Januar 2020 – Der Herzinfarkt und der Schlaganfall gehören zu den bekanntesten Gefäßverschlüssen, meist ausgelöst durch eine arterielle Thrombose oder Embolie aus dem Herzen. Ebenso häufig kommt es jedoch auch zu akuten Gefäßverschlüssen in den Gliedmaßen und in den Bauchorganen mit zum Teil lebensbedrohlichen Auswirkungen. Über diese Erkrankungen sprachen wir mit Dr. Marco Heinz, Chefarzt der Radiologie und Nuklearmedizin, und Dr. Peter Kreissl, Chefarzt der Allgemein-, Visceral- und Gefäßchirurgie an der Kreisklinik Ebersberg.
Was ist der Unterschied zwischen venöser und arterieller Embolie?
Dr. Kreissl: Bei der venösen Embolie entsteht der sogenannte Embolus, also der Gefäßpfropf, in einer Körpervene. Das sauerstoffarme Blut der Venen transportiert diesen über die rechte Herzhälfte bis in die Lunge, eine Lungenembolie ist die Folge. Entsteht der Embolus hingegen in einer Arterie, die sauerstoffreiches Blut von der linken Herzhälfte zum Gehirn, zu Armen und Beinen sowie zu den Organen transportiert, besteht bei einer Gefäßverstopfung das Risiko von Durchblutungsstörungen und Sauerstoffmangel in den betroffenen Körperregionen. Wird die Embolie nicht sofort therapiert, kommt es zum Absterben von Körperzellen oder Organversagen.
Woraus besteht ein Embolus?
Dr. Heinz: Das kann ein Blutgerinnsel sein, aber auch eine Kalkablagerung, die sich aus der Gefäßwand gelöst hat. Es können aber auch Fett- oder Cholesterinkristalle sein. Häufig treten Embolien bei Patienten auf, die an Arteriosklerose leiden, also einer Gefäßverkalkung. Je nach Größe des Embolus können kleine oder große Gefäße verstopft werden.
Wo treten akute, arterielle Embolien am häufigsten auf?
Dr. Kreissl: In den Beinen und im Kopfbereich. Bei Letzterem sind meistens die Halsschlagadern betroffen, deren Verschluss zu einem Schlaganfall führt. Häufig sind Embolien aber auch in den Armen und im Bauchbereich. Die Bauchschlagader, genannt Aorta, versorgt mit ihren Verzweigungen die Beine, den Darm und die Nieren, so dass es hier gelegentlich auch zu Gefäßverschlüssen kommen kann. Eine Embolie im Herz führt zu einem akuten Herzinfarkt.
Wie äußert sich eine Embolie?
Dr. Heinz: Bei kleinsten Embolien spürt der Patient oft nichts. Werden diese jedoch größer, gelten als die typischen Anzeichen für einen Schlaganfall plötzlich auftretende Sprach- oder Sehstörungen, Lähmungen und Taubheitsgefühl im Gesicht oder in den Extremitäten und Schwindel. Beim akuten Herzinfarkt sind starke Brustschmerzen und Atemnot bekannt. Eine Beinembolie äußert sich durch einen plötzlichen, extrem starken Schmerz, das Bein wird sehr blass und der Fuß taub. Schlagartig einsetzende, vernichtende Bauchschmerzen können auf eine Embolie der Darmschlagader hindeuten. Sind die Nieren betroffen, werden stechende Flankenschmerzen beschrieben.
Bei diesen Symptomen sollten Betroffene schnellstmöglich in die Klinik, oder?
Dr. Kreissl: Ja, bei einer akuten Embolie zählt jede Minute! Die Zeitspanne, in der Körpergewebe nicht mit Blut und Sauerstoff versorgt wird, nennen wir Ischämiezeit. Je kürzer sie ist, desto höher sind die Chancen, Folgeschäden abzuwenden. Beim Gehirn bleiben nur wenige Stunden, um nach einem Schlaganfall dauerhafte Lähmungen oder Hirnschädigungen zu verhindern. Der Darm verkraftet ein paar wenige Stunden mehr und in den Beinen können sogar noch nach einem Tag Muskel- und Nervenfunktionen wiederhergestellt werden.
Wieso ist das an anderen Stellen nicht möglich?
Dr. Heinz: In den Beinen und Armen kann das Blut den meist kurzstreckigen Verschluss über andere, kleinere Arterien umgehen. Im Gehirn, im Herz sowie in der Niere sind Endarterien, also quasi Sackgassen. Sind sie verschlossen, ist die Blutzufuhr gestoppt. Im Darm kommt es darauf an, wo der Embolus sitzt.
Wie stellen Sie eine akute, arterielle Embolie fest?
Dr. Kreissl: Zunächst lassen wir uns vom Patienten genau die Beschwerden beschreiben. Bei Verdacht auf einen Herzinfarkt wird der Patient sofort ins Herzkatheterlabor gebracht. Bei allen übrigen Krankheitsbildern folgen bildgebende Untersuchungen in der Radiologie. Nachdem dem Patienten ein Kontrastmittel injiziert wurde, lassen sich per Computertomografie binnen weniger Minuten sämtliche Gefäße darstellen und sowohl der Gefäßverschluss als auch seine Ursache erkennen. Die Untersuchungsergebnisse und eine mögliche Therapie besprechen wir mit dem Spezialisten der betreffenden Organe, einem Gefäßchirurgen und einem interventionellen Radiologen.
Das heißt, jede Therapie ist individuell?
Dr. Heinz: Ja, abhängig von dem betroffenen Organ und dem allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten. Die operative Entfernung des Embolus ist in vielen Fällen noch die erste Option, immer häufiger werden jedoch minimal-invasive Techniken mit Hilfe eines interventionellen Katheterzugang über die Leiste angewendet. Eine Möglichkeit ist, Blutgerinnsel gezielt medikamentös aufzulösen. Das dauert jedoch meist Stunden. Deutlich schneller gelingt es, mit Spezialkathetern den Embolus abzusaugen oder mit einer Art Metallkörbchen zu bergen. In einigen Fällen sind Kombinationen erforderlich. Sämtliche Therapiemöglichkeiten werden von der Kreisklinik Ebersberg abgedeckt. Auch für komplizierte Schlaganfälle sind wir gewappnet: Seit zwei Jahren nimmt die Kreisklinik an dem Programm ‚Flying Interventionalist’ teil. Dabei werden gegebenenfalls neuroradiologische Spezialisten aus München per Hubschrauber eingeflogen.
Das Gespräch führte Sybille Föll, Freie Journalistin
» Zur Abteilung für Allgemein- und Visceralchirurgie
» Zur Abteilung für Radiologie & Nuklearmedizin
Wenn die Durchblutung stockt
Der akute, arterielle Gefäßverschluss
Bei Fallbesprechungen von Gefäßerkrankungen kommen die Kompetenzen des Gefäßchirurgen Dr. Peter Kreissl (stehend) und des Radiologen Dr. Marco Heinz zusammen. Foto: Alexander Zettl
Ebersberg, Januar 2020 – Der Herzinfarkt und der Schlaganfall gehören zu den bekanntesten Gefäßverschlüssen, meist ausgelöst durch eine arterielle Thrombose oder Embolie aus dem Herzen. Ebenso häufig kommt es jedoch auch zu akuten Gefäßverschlüssen in den Gliedmaßen und in den Bauchorganen mit zum Teil lebensbedrohlichen Auswirkungen. Über diese Erkrankungen sprachen wir mit Dr. Marco Heinz, Chefarzt der Radiologie und Nuklearmedizin, und Dr. Peter Kreissl, Chefarzt der Allgemein-, Visceral- und Gefäßchirurgie an der Kreisklinik Ebersberg.
Was ist der Unterschied zwischen venöser und arterieller Embolie?
Dr. Kreissl: Bei der venösen Embolie entsteht der sogenannte Embolus, also der Gefäßpfropf, in einer Körpervene. Das sauerstoffarme Blut der Venen transportiert diesen über die rechte Herzhälfte bis in die Lunge, eine Lungenembolie ist die Folge. Entsteht der Embolus hingegen in einer Arterie, die sauerstoffreiches Blut von der linken Herzhälfte zum Gehirn, zu Armen und Beinen sowie zu den Organen transportiert, besteht bei einer Gefäßverstopfung das Risiko von Durchblutungsstörungen und Sauerstoffmangel in den betroffenen Körperregionen. Wird die Embolie nicht sofort therapiert, kommt es zum Absterben von Körperzellen oder Organversagen.
Woraus besteht ein Embolus?
Dr. Heinz: Das kann ein Blutgerinnsel sein, aber auch eine Kalkablagerung, die sich aus der Gefäßwand gelöst hat. Es können aber auch Fett- oder Cholesterinkristalle sein. Häufig treten Embolien bei Patienten auf, die an Arteriosklerose leiden, also einer Gefäßverkalkung. Je nach Größe des Embolus können kleine oder große Gefäße verstopft werden.
Wo treten akute, arterielle Embolien am häufigsten auf?
Dr. Kreissl: In den Beinen und im Kopfbereich. Bei Letzterem sind meistens die Halsschlagadern betroffen, deren Verschluss zu einem Schlaganfall führt. Häufig sind Embolien aber auch in den Armen und im Bauchbereich. Die Bauchschlagader, genannt Aorta, versorgt mit ihren Verzweigungen die Beine, den Darm und die Nieren, so dass es hier gelegentlich auch zu Gefäßverschlüssen kommen kann. Eine Embolie im Herz führt zu einem akuten Herzinfarkt.
Wie äußert sich eine Embolie?
Dr. Heinz: Bei kleinsten Embolien spürt der Patient oft nichts. Werden diese jedoch größer, gelten als die typischen Anzeichen für einen Schlaganfall plötzlich auftretende Sprach- oder Sehstörungen, Lähmungen und Taubheitsgefühl im Gesicht oder in den Extremitäten und Schwindel. Beim akuten Herzinfarkt sind starke Brustschmerzen und Atemnot bekannt. Eine Beinembolie äußert sich durch einen plötzlichen, extrem starken Schmerz, das Bein wird sehr blass und der Fuß taub. Schlagartig einsetzende, vernichtende Bauchschmerzen können auf eine Embolie der Darmschlagader hindeuten. Sind die Nieren betroffen, werden stechende Flankenschmerzen beschrieben.
Bei diesen Symptomen sollten Betroffene schnellstmöglich in die Klinik, oder?
Dr. Kreissl: Ja, bei einer akuten Embolie zählt jede Minute! Die Zeitspanne, in der Körpergewebe nicht mit Blut und Sauerstoff versorgt wird, nennen wir Ischämiezeit. Je kürzer sie ist, desto höher sind die Chancen, Folgeschäden abzuwenden. Beim Gehirn bleiben nur wenige Stunden, um nach einem Schlaganfall dauerhafte Lähmungen oder Hirnschädigungen zu verhindern. Der Darm verkraftet ein paar wenige Stunden mehr und in den Beinen können sogar noch nach einem Tag Muskel- und Nervenfunktionen wiederhergestellt werden.
Wieso ist das an anderen Stellen nicht möglich?
Dr. Heinz: In den Beinen und Armen kann das Blut den meist kurzstreckigen Verschluss über andere, kleinere Arterien umgehen. Im Gehirn, im Herz sowie in der Niere sind Endarterien, also quasi Sackgassen. Sind sie verschlossen, ist die Blutzufuhr gestoppt. Im Darm kommt es darauf an, wo der Embolus sitzt.
Wie stellen Sie eine akute, arterielle Embolie fest?
Dr. Kreissl: Zunächst lassen wir uns vom Patienten genau die Beschwerden beschreiben. Bei Verdacht auf einen Herzinfarkt wird der Patient sofort ins Herzkatheterlabor gebracht. Bei allen übrigen Krankheitsbildern folgen bildgebende Untersuchungen in der Radiologie. Nachdem dem Patienten ein Kontrastmittel injiziert wurde, lassen sich per Computertomografie binnen weniger Minuten sämtliche Gefäße darstellen und sowohl der Gefäßverschluss als auch seine Ursache erkennen. Die Untersuchungsergebnisse und eine mögliche Therapie besprechen wir mit dem Spezialisten der betreffenden Organe, einem Gefäßchirurgen und einem interventionellen Radiologen.
Das heißt, jede Therapie ist individuell?
Dr. Heinz: Ja, abhängig von dem betroffenen Organ und dem allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten. Die operative Entfernung des Embolus ist in vielen Fällen noch die erste Option, immer häufiger werden jedoch minimal-invasive Techniken mit Hilfe eines interventionellen Katheterzugang über die Leiste angewendet. Eine Möglichkeit ist, Blutgerinnsel gezielt medikamentös aufzulösen. Das dauert jedoch meist Stunden. Deutlich schneller gelingt es, mit Spezialkathetern den Embolus abzusaugen oder mit einer Art Metallkörbchen zu bergen. In einigen Fällen sind Kombinationen erforderlich. Sämtliche Therapiemöglichkeiten werden von der Kreisklinik Ebersberg abgedeckt. Auch für komplizierte Schlaganfälle sind wir gewappnet: Seit zwei Jahren nimmt die Kreisklinik an dem Programm ‚Flying Interventionalist’ teil. Dabei werden gegebenenfalls neuroradiologische Spezialisten aus München per Hubschrauber eingeflogen.
Das Gespräch führte Sybille Föll, Freie Journalistin
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