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Chemotherapie bei Brustkrebs: Ja oder nein?


Genetischer Test kann bei der Entscheidung helfen

Chemotherapie bei Brustkrebs: Ja oder nein?
Auf der Grundlage differenzierter Untersuchungsergebnisse bespricht Brustkrebs-Experte Dr. Stephan Hasmüller mit einer Patientin die therapeutischen Empfehlungen. Foto: kk

Ebersberg, September 2020 – Tumore in der Brust, die frühzeitig erkannt werden, können oft durch eine Operation vollständig entfernt werden. Um das Rückfallrisiko zu mindern, wird einigen Patientinnen neben Bestrahlung zusätzlich eine Chemotherapie empfohlen. Doch diese ist aufgrund der Nebenwirkungen belastend. Bei welchen Patientinnen tatsächlich eine Chemotherapie sinnvoll ist, können sogenannte Genexpressionstests zeigen. Dr. Stephan Hasmüller, Leitender Oberarzt im Brustzentrum der Kreisklinik Ebersberg, erläutert die Hintergründe.

Dr. Hasmüller, was wird bei einem solchen Gentest untersucht?
Es wird untersucht, wie hoch das Risiko ist, dass der Krebs nach einer erfolgreichen Therapie wieder auftreten kann. Diese Information liefern bestimmte Gene im Tumorgewebe. Sind sie – vereinfacht ausgedrückt – aktiv, ist ein Rezidiv wahrscheinlicher als bei inaktiven Genen.

Wird ein genetischer Test bei allen Brustkrebspatientinnen vorgenommen?
Nein. Er wird nur gemacht, wenn das Rückfallrisiko trotz Analyse der klinischen Faktoren nicht eindeutig bestimmt werden kann. Diese Faktoren sind unter anderem die Tumorgröße und der Ki67-Wert, der die Wachstumsgeschwindigkeit anzeigt und der HER2/neu-Status. HER2 ist ein Rezeptor auf der Zelloberfläche, über den Wachstumssignale an die Tumorzellen weitergegeben werden. Außerdem der Grad der Zellveränderung, den wir in drei Stufen einteilen. Stufe drei bedeutet, dass es sich um einen aggressiven Tumor handelt. Besonders wichtige Faktoren sind ein möglicher Lymphknotenbefall, der das Risiko einer Streuung erhöht, und der Hormonrezeptor-Status. Er besagt, ob die Krebsform durch eine hormonelle oder antihormonelle Therapie behandelt werden kann.

Wenn das Ergebnis des Tests ein hohes Rückfallrisiko zeigt, wird dann eine Chemotherapie durchgeführt?
Sofern die Patientin damit einverstanden ist, ja. Allerdings hängt die Entscheidung noch von anderen Faktoren ab, etwa von ihrem Alter und von ihrem allgemeinen Gesundheitszustand. Für uns ist jede Entscheidung ein Abwägen von Nutzen und Risiko. Bei manchen Frauen zum Beispiel birgt eine Chemotherapie ein höheres gesundheitliches Risiko als ein Rezidiv, bei anderen Patientinnen ist es umgekehrt.

Kann durch einen Gentest eine Chemotherapie vermieden werden?
Ja. Das zeigt zum Beispiel die aktuelle MINDACT-Studie. Bei 6.693 Brustkrebspatientinnen wurde ein MammaPrint-Test durchgeführt, einer von vier Genexpressionstests, die auf dem Markt sind. Patientinnen, die klinisch ein hohes Risiko hatten, aber ein Genprofil mit niedrigem Risiko, entwickelten nach acht Jahren ohne Chemotherapie wenig mehr Metastasen als diejenigen Studienteilnehmerinnen, die eine Chemotherapie erhalten hatten. Auf eine Chemotherapie kann und soll in dieser Situation also verzichtet werden.

Seit wann gibt es diese Gentests?
Schon seit etwa 18 Jahren. Aber erst seit Januar 2020 werden die Kosten für einen von ihnen, den Oncotype DX, von den Krankenkassen übernommen und auch nur, wenn noch keine Lymphknoten befallen sind. Beim Endopredict-Test zum Beispiel ist das keine Voraussetzung, er wird jedoch nur von einigen Krankenkassen erstattet. In der Kreisklinik Ebersberg bieten wir alle Tests an.

Wie werden die Tests durchgeführt?
Wenn Verdacht auf einen Tumor besteht, etwa aufgrund eines auffälligen Tastbefundes, wird der Patientin in lokaler Betäubung Brustgewebe entnommen und vom Pathologen unter dem Mikroskop untersucht. Man nennt das Stanzbiopsie. Der Genexpressionstest kann aus demselben Gewebe erfolgen, das erneut von einem Pathologen untersucht wird.

Das Gespräch führte Sybille Föll, Freie Journalistin


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