« Zurück zur Übersicht
Unfallchirurgie der Kreisklinik Ebersberg verzeichnet Anstieg der Patienten
Dr. Artur Klaiber, Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie & Orthopädie
Ebersberg, Januar 2022 – Fast ein Drittel aller Unfälle passiert in den eigenen vier Wänden. Pro Jahr verunglücken etwa 2,8 Millionen Menschen zu Hause, im Jahr 2019 starben davon laut Statistischem Bundesamt rund 12.500 Menschen. Noch gibt es keine offiziellen Zahlen, doch während der Corona-Pandemie scheinen die Haushaltsunfälle häufiger zu werden, wie Dr. Artur Klaiber, Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie der Kreisklinik Ebersberg feststellt.
Dr. Klaiber, wie erklären Sie sich den Anstieg an Patienten, die zu Hause verunglücken?
Während der Lockdowns und in den Zeiten mit Kontaktbeschränkungen sind mehr Menschen zu Hause im Homeoffice oder sie müssen ihre Kinder betreuen, das Reisen ist schwieriger geworden. Auch das Freizeitverhalten hat sich wegen der Schließungen von Fitnessstudios und anderer Sporteinrichtungen verändert, es wird vermehrt zu Hause trainiert. Viele nutzen außerdem die Zeit für Reparaturarbeiten im Haus, zum Heimwerken oder für einen Großputz und stellen sich dabei auf wackelige Stühle oder Leitern oder arbeiten ohne Schutzkleidung. Ein Klassiker etwa ist das Baumschneiden ohne gesicherten Stand. Ein Grund, wieso – unabhängig von Corona – ausgerechnet zu Hause so viele Unfälle passieren, ist, dass sich die Menschen dort sicher fühlen und unachtsamer sind als in einer fremden Umgebung.
Was ist die häufigste Verletzungsursache?
Über 80 Prozent sind Stürze. Davon betroffen sind allerdings überwiegend ältere Menschen. Im Alter lassen Gleichgewichtssinn, Reaktionsvermögen und Muskelkraft nach. Jüngere können sich oft noch abfangen und einen Sturz oder zumindest eine schwere Verletzung verhindern, bei Älteren reicht schon ein Stolpern über die Teppichkante, um sich zum Beispiel einen Handgelenks- oder Oberschenkelhalsbruch zuzuziehen. Das sind neben Schulterbrüchen die häufigsten Sturzfolgen. Bei den häufigsten Verletzungen folgen an zweiter und dritter Stelle Schnittwunden beziehungsweise Verbrennungen.
Sind Frauen und Männer gleichermaßen von häuslichen Unfällen betroffen?
Bei der alltäglichen Hausarbeit verunglücken deutlich mehr Frauen als Männer, beim Heimwerken wiederum mehr Männer – trotz Gleichberechtigung ist das noch so. Frauen zum Beispiel ziehen sich häufiger Schnittverletzungen zu, etwa beim Gemüse schnippeln in der Küche, Männer erleiden häufiger Verbrennungen. Häufige Verletzungen bei Kindern sind übrigens Stromschläge. An dieser Stelle kann ich nur empfehlen, Steckdosen mit Kindersicherungen zu versehen.
Wie lebensbedrohlich ist ein Stromschlag?
Je nach Schwere können Verbrennungen, Atemnot, Bewusstlosigkeit und Muskelkrämpfe die Folgen sein. Fließt Strom durch das Herz, können Herzrhythmusstörungen auftreten, daher empfehle ich insbesondere Eltern, sofort den Rettungsdienst zu alarmieren oder mit dem Kind zu uns in die Notaufnahme zu kommen, um das überprüfen zu lassen.
Was sollte jemand tun, der sich zum Beispiel eine Fingerkuppe abgeschnitten hat?
Bei jeder Art von Schnittverletzung ist die erste Maßnahme, die Wunde mit einer sterilen Kompresse abzudecken, um eine bakterielle Infektion zu vermeiden. Sollte ein Glied eines Fingers abgetrennt worden sein, das Körperteil in einem sauberen Gefäß in die Notaufnahme mitnehmen, z. B. in einem Gefrierbeutel. Ob es wieder angenäht werden kann, entscheiden dort unsere interdisziplinär zusammenarbeitenden Ärzte.
Wie sieht die Erstversorgung bei einer Verbrennung aus?
Die betroffene Stelle unter kaltes Wasser halten, um eine tiefergehende Verletzung des Körpergewebes zu vermeiden. Sollten sich Blasen bilden, die verbrannte oder verbrühte Stelle – typisch sind hier Unfälle mit siedend heißem Kochwasser – mit einer sterilen Kompresse abdecken, Kühlbeutel aus dem Eisfach oder Cool Pads in ein Handtuch wickeln und damit kühlen – nicht direkt auf die verletzte Haut geben! Je nach Größe der Fläche und Schwere der Verbrennung sollten Verletzte zum Arzt gehen, denn eine schwere Verbrennung kann zu einem Schock und im schlimmsten Fall zu einem Organversagen führen. Besonders bei Kindern ist das Risiko hoch, da bereits kleinere oder tiefere Verbrennungen große Auswirkungen haben können. Schon fünf bis zehn Prozent verbrannte oder verbrühte Körperoberfläche ist für ein Kind gefährlich.
Gilt es als Arbeitsunfall, wenn sich jemand während der Corona-Pandemie im Homeoffice verletzt?
Seit 2021 gilt für mobiles Arbeiten oder Telearbeit zu Hause der gleiche Versicherungsschutz wie bei Ausübung einer Beschäftigung in einem Unternehmen. Allerdings muss der Unfall in direktem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen. Stürzt man zum Beispiel am Schreibtisch über seine Arbeitstasche und bricht sich ein Bein, dann gilt das als Arbeitsunfall, war die Stolperfalle ein Kinderspielzeug, sieht die Lage schon anders aus. In jedem Fall sollte ein Unfall während der Homeoffice-Tätigkeit dem Arbeitgeber gemeldet werden.
Das Gespräch führte Sybille Föll, Freie Journalistin
» Zur Abteilung für Unfallchirurgie & Orthopädie
Mehr häusliche Unfälle durch Corona?
Unfallchirurgie der Kreisklinik Ebersberg verzeichnet Anstieg der Patienten
Dr. Artur Klaiber, Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie & Orthopädie
Ebersberg, Januar 2022 – Fast ein Drittel aller Unfälle passiert in den eigenen vier Wänden. Pro Jahr verunglücken etwa 2,8 Millionen Menschen zu Hause, im Jahr 2019 starben davon laut Statistischem Bundesamt rund 12.500 Menschen. Noch gibt es keine offiziellen Zahlen, doch während der Corona-Pandemie scheinen die Haushaltsunfälle häufiger zu werden, wie Dr. Artur Klaiber, Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie der Kreisklinik Ebersberg feststellt.
Dr. Klaiber, wie erklären Sie sich den Anstieg an Patienten, die zu Hause verunglücken?
Während der Lockdowns und in den Zeiten mit Kontaktbeschränkungen sind mehr Menschen zu Hause im Homeoffice oder sie müssen ihre Kinder betreuen, das Reisen ist schwieriger geworden. Auch das Freizeitverhalten hat sich wegen der Schließungen von Fitnessstudios und anderer Sporteinrichtungen verändert, es wird vermehrt zu Hause trainiert. Viele nutzen außerdem die Zeit für Reparaturarbeiten im Haus, zum Heimwerken oder für einen Großputz und stellen sich dabei auf wackelige Stühle oder Leitern oder arbeiten ohne Schutzkleidung. Ein Klassiker etwa ist das Baumschneiden ohne gesicherten Stand. Ein Grund, wieso – unabhängig von Corona – ausgerechnet zu Hause so viele Unfälle passieren, ist, dass sich die Menschen dort sicher fühlen und unachtsamer sind als in einer fremden Umgebung.
Was ist die häufigste Verletzungsursache?
Über 80 Prozent sind Stürze. Davon betroffen sind allerdings überwiegend ältere Menschen. Im Alter lassen Gleichgewichtssinn, Reaktionsvermögen und Muskelkraft nach. Jüngere können sich oft noch abfangen und einen Sturz oder zumindest eine schwere Verletzung verhindern, bei Älteren reicht schon ein Stolpern über die Teppichkante, um sich zum Beispiel einen Handgelenks- oder Oberschenkelhalsbruch zuzuziehen. Das sind neben Schulterbrüchen die häufigsten Sturzfolgen. Bei den häufigsten Verletzungen folgen an zweiter und dritter Stelle Schnittwunden beziehungsweise Verbrennungen.
Sind Frauen und Männer gleichermaßen von häuslichen Unfällen betroffen?
Bei der alltäglichen Hausarbeit verunglücken deutlich mehr Frauen als Männer, beim Heimwerken wiederum mehr Männer – trotz Gleichberechtigung ist das noch so. Frauen zum Beispiel ziehen sich häufiger Schnittverletzungen zu, etwa beim Gemüse schnippeln in der Küche, Männer erleiden häufiger Verbrennungen. Häufige Verletzungen bei Kindern sind übrigens Stromschläge. An dieser Stelle kann ich nur empfehlen, Steckdosen mit Kindersicherungen zu versehen.
Wie lebensbedrohlich ist ein Stromschlag?
Je nach Schwere können Verbrennungen, Atemnot, Bewusstlosigkeit und Muskelkrämpfe die Folgen sein. Fließt Strom durch das Herz, können Herzrhythmusstörungen auftreten, daher empfehle ich insbesondere Eltern, sofort den Rettungsdienst zu alarmieren oder mit dem Kind zu uns in die Notaufnahme zu kommen, um das überprüfen zu lassen.
Was sollte jemand tun, der sich zum Beispiel eine Fingerkuppe abgeschnitten hat?
Bei jeder Art von Schnittverletzung ist die erste Maßnahme, die Wunde mit einer sterilen Kompresse abzudecken, um eine bakterielle Infektion zu vermeiden. Sollte ein Glied eines Fingers abgetrennt worden sein, das Körperteil in einem sauberen Gefäß in die Notaufnahme mitnehmen, z. B. in einem Gefrierbeutel. Ob es wieder angenäht werden kann, entscheiden dort unsere interdisziplinär zusammenarbeitenden Ärzte.
Wie sieht die Erstversorgung bei einer Verbrennung aus?
Die betroffene Stelle unter kaltes Wasser halten, um eine tiefergehende Verletzung des Körpergewebes zu vermeiden. Sollten sich Blasen bilden, die verbrannte oder verbrühte Stelle – typisch sind hier Unfälle mit siedend heißem Kochwasser – mit einer sterilen Kompresse abdecken, Kühlbeutel aus dem Eisfach oder Cool Pads in ein Handtuch wickeln und damit kühlen – nicht direkt auf die verletzte Haut geben! Je nach Größe der Fläche und Schwere der Verbrennung sollten Verletzte zum Arzt gehen, denn eine schwere Verbrennung kann zu einem Schock und im schlimmsten Fall zu einem Organversagen führen. Besonders bei Kindern ist das Risiko hoch, da bereits kleinere oder tiefere Verbrennungen große Auswirkungen haben können. Schon fünf bis zehn Prozent verbrannte oder verbrühte Körperoberfläche ist für ein Kind gefährlich.
Gilt es als Arbeitsunfall, wenn sich jemand während der Corona-Pandemie im Homeoffice verletzt?
Seit 2021 gilt für mobiles Arbeiten oder Telearbeit zu Hause der gleiche Versicherungsschutz wie bei Ausübung einer Beschäftigung in einem Unternehmen. Allerdings muss der Unfall in direktem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen. Stürzt man zum Beispiel am Schreibtisch über seine Arbeitstasche und bricht sich ein Bein, dann gilt das als Arbeitsunfall, war die Stolperfalle ein Kinderspielzeug, sieht die Lage schon anders aus. In jedem Fall sollte ein Unfall während der Homeoffice-Tätigkeit dem Arbeitgeber gemeldet werden.
Das Gespräch führte Sybille Föll, Freie Journalistin
» Zur Abteilung für Unfallchirurgie & Orthopädie